Bunt statt Braun, die Jugendkulturwoche für Vielfalt und gegen Rassismus, findet seit 2005 jährlich im Schwanen statt. Rund 1000 Schüler:innen aus Schulen in Waiblingen und weitem Umkreis nehmen jeweils daran teil. Sie ist eine kulturelle Maßnahme gegen die Entwicklung beschränkter Realitätswahrnehmung und starrer Haltungen bei Jugendlichen. Schülerinnen und Schülern werden über Filme, Konzerte, Theater, Rollenspiele, Workshops und Ausstellungen (und Gespräche über all das) wesentliche Fragen und Handlungsspielräume ihres Lebens verdeutlicht. 

Das Veranstaltungs-Team besteht derzeit aus Kreisjugendring Rems-Murr,  Polizeipräsidium Aalen / Abteilung Prävention, tgbw (Türkische Gemeinde Baden-Württemberg), Fachstelle Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention des Rems-Murr-Kreises, Verlag Iris Förster, Jonatan Tropea, popmusic school Fellbach, Sozialintegrative Alltagsbegleitung Ebbe Buhl, Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Waiblingen und, als Urgestein und Ort des Ganzen: Kulturhaus Schwanen.  

 

Veranstaltungsinfos

→ Das PDF des BsB 2023–Programmhefts finden Sie hier:

Aktuelle Infos zum Bunt statt Braun Festival auf instagram.com/bsb_festival

Der Masterplan von Bunt statt Braun und die Beste aller Wirtschaftsweisen

Bei Bunt statt Braun geht es darum, Jugendlichen zu helfen, sich im Leben zu orientieren. Dabei ist die entscheidende Frage: Wie verhalte ich mich grundsätzlich gegenüber Menschen? Das eigene Verhalten wird wesentlich davon geprägt, wie einem selbst in Kindheit und Jugend begegnet wurde, ob mit Akzeptanz und Verständnis, oder, im schlechten Fall, mit Härte, Unverständnis und Beziehungslosigkeit. Was dabei zählt, sind nicht Erziehung und Werte, sondern die tatsächlichen Verhältnisse, das faktische Verhalten in der Familie. Die einzige Chance, dem „schlechten Fall“ zu entkommen, besteht darin, Zusammenhänge und Kindheitsmuster zu durchschauen und, exemplarisch, andere Muster auszuprobieren und zu erfahren. Das ist, kurz gesagt, der Masterplan von Bunt statt Braun.

Bei all dem ist klar, dass Keine und Keiner aus seiner Haut kann. Wir alle haben unsere blinden Flecken, unsere höchst privaten Hecken, hinter die wir nicht schauen und hinter denen deshalb etwas Anderes ist, als wir behaupten. Trotz Empathie und dem starken Willen, niemanden zu ignorieren oder in die falsche Ecke zu stellen. Alle Hecken abzumähen wäre ideologisch, weil illusorisch. Es würde nicht funktionieren. Doch wir brauchen mehr Gelassenheit. Gelassenheit wird oft mit Nachlässigkeit verwechselt. Sie meint aber das Gegenteil: Bei aller unserer Einfalt und Beschränktheit der Vielfalt eine Chance zu geben.

Bunt statt Braun hat mit Pädagogik im Sinn von Entwicklung eines standhaften Realismus zu tun, mit Klarkommen da, wo wir sind. Wer Sachen ändern will, muss in der faktischen Vielfalt unserer heutigen Realität erst einmal ankommen, muss sich in ihr orientieren können. Dazu braucht es ein Stück Unerschrockenheit. Ängste beeinträchtigen Orientierung. Es braucht Lockerheit, um überhaupt in die Lage zu kommen, privat oder politisch im Sinn von Gerechtigkeit handeln zu können (ohne die es nie und nirgends Frieden gibt). Extremisten erkennt man u.a. daran, dass sie verkrampft sind und praktisch nie herzhaft lachen, nicht über andere, und schon gar nicht über sich selbst. 

Unsere, Stand heute, Beste aller Wirtschaftsweisen besitzt den Nachteil, dass sie nicht unbedingt auf das Vorhandensein mündiger, selbständig fühlender und denkender Bürger:innen angewiesen ist. Der Marktwirtschaft tun es zur Not auch die autoritär Veranlagten, die gerner gehorchen – oder befehlen. Im beruflichen Alltag ist, mehr noch als in anderen Bereichen der Gesellschaft, Einordnung in eine Hierarchie Regel und Voraussetzung der Beschäftigung. Die kreativen Eliten machen keine Gesellschaft aus. Im Übrigen handeln sie, anders als freischaffende Künstler:innen, auch nur mit jemandes Auftrag und Billigung.

Die üblicherweise nur nach dem „wie viel“ und nicht nach dem „was“ und dem „wie“ fragenden Chefs, Ökonomen und Politiker:innen haben, machen jedenfalls Angst vor zu wenig Wirtschaftswachstum und Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt, Angst vor dem Verlust der Stärke unseres Landes und seiner Sozialleistungen. Das Klima der Angst, des von Abstieg bedroht Seins, liegt wie ein Schatten über dem ökonomischen Bereich der Gesellschaft. Im Bann dieses Schattens denkt man nicht über so etwas wie Vielfalt der Handelnden nach, eher über eine Art Vielfalt und vor allem Vielzahl der pro Zeiteinheit herzustellenden Produkte. Wer nicht nach dem „was“ und dem „wie“ fragt, kommt schnell ohne Diversität der Handelnden aus. Leider. Auch wenn die Verlautbarungen und das Credo von Politik und Gesellschaft anders lauten.

Das aber erweist sich als zu wenig, um auch nur das Ziel: die Ausrichtung auf eine Vielfalt unserer Gesellschaft, in harten oder unruhigen Zeiten (Handelskonflikte, Kriege, grundlegende Veränderungen des Weltmarkts) nicht aus den Augen zu verlieren. In harten Zeiten wächst die Angst vor Kontrollverlust, vor dem Absinken in der Tabelle, vor Bedeutungslosigkeit. Hier docken die Rechtsextremisten (auch linksextreme Ideologien, deren Verbreitung jedoch von Schwindsucht geplagt wird) an. Anstelle persönlicher Bedeutung, errungener Identität, anstelle von sinnvoller Arbeit in einem sinnvollen Ganzen werden einfache, homogene Lösungen angeboten: Größe, Einfluss, Bedeutung, Sicherheit und Geborgenheit durch Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einem Volk, einer Blutsgemeinschaft und Nation und dergleichen mehr.

Dem zu widerstehen, das Einstehen für eine Welt der Vielfalt, ohne Rassismus, ohne Diffamierung, Ausgrenzung und Ausmerzung Missliebiger bedarf es weniger der ökonomisch messbaren Leistung(ssteigerung) und endloser Qualifizierung als der sich Zeit nehmenden, Nutzen und Ökonomie überschreitenden Kultivierung, Humanisierung von Denken und Handeln. Das Zeichen dieser Humanisierung wäre ein Verhalten, das nicht oder wenig von Angst geprägt ist. 

Ein solches, wenn nicht zu garantieren, so doch wenigstens systematisch zu fördern, vermag die Marktwirtschaft, selbst wenn ihre Protagonisten gutwillig sind, nicht (andernfalls sähe unsere Welt anders aus). Warum nicht? Es ist nicht ihr Kerngeschäft. Mehr noch: es liegt nicht wirklich in ihrer Kompetenz. Sie kann für das große Bindemittel der Gesellschaft sorgen, für Wohlstand, für eine Wohlstandsgesellschaft (die jedoch immer einen gewissen Teil der Bevölkerung und der Welt ausschließt), nicht aber für eine humane, solidarische Gesellschaft. Wo aber sollen Mitgefühl statt Konkurrenzverhalten, Mitdenken für andere statt Egotrip, Akzeptanz statt Abwertung (zugunsten des eigenen Selbst), wo soll das herkommen? Aus den Kirchen? Aus den Familien, die ihre Kraft zum Aufbau und Erhalt eigenständiger, dauerhafter und erfüllender Beziehungen und daher zur Bildung sozialer Persönlichkeiten immer mehr zu verlieren scheinen? Aus den Kitas und Schulen? Auf diese wird gezeigt, von ihnen erhofft man sich viel, viel zu viel. Was in der ökonomischen Sphäre (außer, wenn man mit der Lupe sucht) und in der Familie sozial nicht gelebt wird, nicht vorgelebt wird, kann das Erziehungswesen dann „nachträglich“ auch nicht richten. Es gilt der fatale Schluss: Je härter die Zeiten, desto schmaler die Humanität (und nicht: desto größer die Solidarität). 

Die Veranstalter der Jugendkulturwoche für Vielfalt und gegen Rassismus versuchen, den Bildungseinrichtungen, die fast schon auf verlorenem Posten stehen, beizuspringen, mit nicht viel, aber nicht mit nichts, eben mit bloß einer Woche, einer Woche aber voller vielfältiger kultureller Angebote, die exemplarisch, mit der vollen, elektrisierenden Kraft der Kunst (Theater, Film, Musik) und der nüchternen Verve engagierter Experten (Workshops), zeigen können, was alles jenseits von Macht und Angst möglich ist.